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Bis 2050 müssen neun Milliarden Menschen genügend zu essen haben. Als Weltbevölkerung müssen wir mehr Nahrungsmittel produzieren und weniger verschwenden. Das ist auch die oberste Priorität des UN World Food Programme (WFP).
Kleinbäuer*innen produzieren mehr als 70 Prozent der Nahrungsmittel in Afrika und Asien. Gleichzeitig sind fast die Hälfte aller Hungernden auf der Welt Kleinbäuer*innen. Eine ganze Reihe an meist tief verankerten Hürden hindert sie, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Eines der größten dieser Hindernisse ist der Zugang zu dringend benötigter Finanzierung – zum Beispiel für Saatgut, Düngemittel, Maschinen und Geräte oder Versicherungen gegen Ernteschäden bei Regenmangel. Kleinbäuer*innen fehlt schlicht das finanzielle Startkapital oder anderes Vermögen und damit die Bonität. Deshalb rief WFP die Farm to Market Alliance (kurz: FtMA) ins Leben, damit afrikanische Kleinbäuer*innen Zugang zu Märkten erhalten und Gewinne erwirtschaften können. Mit einem ganzheitlichen Ansatz fördert FtMA Kleinbäuer*innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Aussaat bis zum Verkauf.
FtMA besteht aus einem Konsortium aus der Alliance for a Green Revolution in Africa, Bayer Crop Science, Rabobank, Syngenta, Yara International ASA und WFP, welches 2016 gegründet wurde. Kurz darauf entwickelte es PATH – ein Konzept, das Kleinbäuer*innen in vier Bereichen unterstützt und zu verlässlichen Marktakteur*innen macht: Berechenbare Märkte („Predictable markets“), bezahlbare Finanzierungsmöglichkeiten („Affordable finance“), Technologien und hochwertige Betriebsmittel („Technologies and quality inputs“) sowie Transport- und Aufbewahrungslösungen („Handling and storage solutions“).
In Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen in der Landwirtschaft koordiniert FtMA die Marktteilnahme, bietet Trainings, sammelt kollektives Fachwissen und macht Produkte sowie Dienstleistungen zugänglich. Jedes dieser Elemente hilft Kleinbäuer*innen, sicher und vorausschauend zu planen, anzubauen, zu lagern und zu verkaufen. Dadurch arbeiten sie nachhaltig effizienter, können ihre Erträge steigern und werden widerstandsfähiger.
Der nachfrageorientierte Ansatz der FtMA knüpft langfristige Beziehungen zwischen Kleinbäuer*innen und anderen Agrarakteur*innen, die von ihnen einkaufen, ihnen Finanzierung oder Versicherungen anbieten sowie Betriebsmittel und Geräte liefern können. FtMA funktioniert im Grunde wie ein „neutraler Broker” zwischen der Nachfrage auf einem Markt und dem Angebot von Kleinbäuer*innen.
Ein Beispiel, wie man Agrarmärkte gewinnbringender und zuverlässiger für Kleinbäuer*innen gestalten kann, sind Kaufverträge zwischen Kleinbäuer*innen und kommerziellen Abnehmern, die bereits vor dem Anbau abgeschlossen werden. Solche Verträge können dann als Sicherheit für Kredite bei Finanzdienstleistern dienen, die Kleinbäuer*innen für Betriebsmittel wie Dünger, Ausrüstung und Versicherungen gegen Klima- und Schädlingsrisiken verwenden können. Auf der anderen Seite können Abnehmer ihre Logistik besser planen und sich auf die vorbestellte und damit planbare Zulieferung verlassen. Ein Win-win-Geschäft für alle Seiten!
Bisher förderte FtMA erfolgreich über 87.000 Kleinbäuer*innen in Kenia und Ruanda durch PATH, kommerzielle Abnehmer kauften Produkte für mehr als 31 Millionen US-Dollar von ihnen. Rund 50 lokale Partner*innen aus dem Privatsektor schlossen sich FtMA an, wodurch noch mehr gehandelt werden konnte.
Für eine bessere Qualität und höhere Erträge der Produkte setzt FtMA gezielt auf Innovationen, wie neue digitale Tools und technische Geräte. Zuerst wurden Gruppenaktivitäten digitalisiert, indem zum Beispiel Kleinbäuer*innen das Gesamtvolumen ihrer Ernte aufzeichneten oder gemeinsam Betriebsmittel wie Dünger, Saatgut und Equipment bestellten, um geringere Einkaufspreise zu erzielen.
Besonders wichtig ist die Praxis Ernten zusammenzulegen – und die dafür benötigte Sammelstelle. Kleinbäuer*innen sammeln ihre Erzeugnisse in sogenannten „Aggregation centers“. Das bringt deutlich attraktivere Kaufpreise, steigert die Profitabilität und diversifiziert das Risiko. Außerdem erleichtert die Zusammenarbeit Zusammenschlüsse in landwirtschaftlichen Genossenschaften.
Das AgriFin Accelerate-Programm von MercyCorps und der WFP Innovation Accelerator haben zusammen eine digitale Plattform für FtMA entwickelt. Sie besteht aus einer mobilen App, einem SMS-Gateway und einem Webportal. Mithilfe dieses digitalen Tools können Nutzer*innen ihre Erzeugnisse sammeln und verkaufen, Saatgut sowie Ausrüstung bestellen und digitale Belege dafür erhalten. Das stärkt das Vertrauen zwischen Kleinbäuer*innen und Dienstleistern oder Abnehmern. Preise, Vergütungen und Zahlungsfristen werden dadurch transparenter, und Kleinbäuer*innen können mühelos alle Transaktionen nachverfolgen. Finanzdienstleister haben durch die digitalen Belege in der App eine Sicherheit, die Kleinbäuer*innen zu Krediten und anderen Finanzierungsmöglichkeiten verhelfen kann.
Zusätzlich gibt es eine FtMA-Plattform für Kleinbäuer*innen, um sich untereinander und mit anderen Agrarakteur*innen zu vernetzen. Einer der wertvollsten Vorteile der Digitalisierung sind Echtzeit-Informationen. Echtzeitdaten aus den Sammelstellen können eine Überladung verhindern. Und Abholverspätungen der Erzeugnisse, Preisverhandlungen und dringende Fragen können sofort kommuniziert werden. Selbstverständlich funktioniert dieses Prinzip in beide Richtungen. Das bedeutet, dass Geber und Investor*innen besser abwägen können, ob sie in Kleinbäuer*innen oder Bauernverbände investieren sollen – basierend auf den digitalen Transaktionsdaten, dem Ernte- und Verkaufsvolumen und der Qualität und Quantität der Erzeugnisse.
Mithilfe moderner, digitaler Werkzeuge verbessert FtMA die Koordination und Transparenz und stärkt das Vertrauen zwischen Kleinbäuer*innen und ihren verschiedenen Agrarpartner*innen. Am deutlichsten wird dies sichtbar im positiven Einfluss von FtMA auf die Leben der 87.000 Kleinbäuer*innen in den beiden teilnehmenden afrikanischen Ländern. Sie profitieren jetzt schon von den Produkten und Leistungen: Eine Stichprobenerhebung in Ruanda ergab, dass teilnehmende Kleinbäuer*innen ihre durchschnittliche Produktion innerhalb der ersten zwei Erntezeiten um ein Drittel steigern konnten. Außerdem konnten sie ihre Einnahmen um durchschnittlich 83 Prozent erhöhen. Alles in allem unterstreichen vor allem die 31 Millionen US-Dollar an Ernteverkäufen, wie notwendig diese Agrarwende und der Zugang von Kleinbäuer*innen zu Märkten ist. Damit sie in Zukunft nicht nur sich selbst, sondern auch die ganze Welt ernähren und ihre lokalen und regionalen Märkte als Konkurrent*innen auf Augenhöhe mitgestalten können.
Zusammen mit lokalen Partner*innen aus dem öffentlichen und Privatsektor ermittelt FtMA genau, welche Bedürfnisse Kleinbäuer*innen haben und passt die Produkte und Lösungen dementsprechend an. Dies ist nur mit großzügiger Unterstützung möglich. Zahlreiche Partner*innen teilen ihre Ressourcen und Expertise, um Märkte geeigneter für Kleinbäuer*innen zu machen. Dazu zählt unter anderem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das FtMA-Projekte in Kenia unterstützt.
Ähnliche Projekte wie FtMA werden in den Laboren des WFP Innovation Accelerators geboren, der vielversprechende Ideen und Lösungen gegen den Hunger identifiziert, unterstützt und ausbaut. Über den WFP Innovation Accelerator erhalten WFP-Entrepreneur*innen, Start-ups, Unternehmen und NGOs Zugang zu Mentor*innen, Trainings, finanzieller Unterstützung und Expert*innenberatung. Finanziell unterstützt wird der Innovation Accelerator vom BMZ, dem Auswärtigen Amt und dem Bayrischen Landesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Roseline Siama, eine 40-jährige Mutter von vier Kindern aus Westkenia, war früher eine ganz normale Hausfrau und Mitglied eines Bäuerinnenverbands. Nachdem ihr Verband angefangen hatte, mit FtMA zu arbeiten, lernte Roseline, wie sie durch bessere Anbaumethoden und Bewirtschaftung Profit erwirtschaften konnte. Innerhalb von drei Erntezeiten verdiente sie genug Geld, um die Größe ihres Bauernhofs zu verdreifachen, die Schulgebühren ihrer Kinder zu bezahlen, ihre Schweinehaltung auszubauen und noch dazu in ein Catering-Unternehmen zu investieren. Heute unterstützt Roseline als FtMA-Agrarwirtschaftsberaterin andere Kleinbäuer*innen, Zugang sowohl zu Betriebsmitteln und Märkten zu bekommen, als auch zu Dienstleistungen wie Schulungen zu Anbautechnik und dem Umgang mit Nahrungsmitteln und deren Aufbewahrung nach der Ernte. Während der Erntezeit sammelt sie die Erzeugnisse der Kleinbäuer*innen und sucht nach abholbereiten Käufer*innen, was für die Kleinbäuer*innen einen planbaren Markt mit attraktiven Preisen bedeutet. „Die meisten Frauen, so auch ich, waren vollständig von unseren Ehemännern als Alleinverdiener der Familie abhängig“, sagt Roseline und fügt hinzu: „Aber das war einmal.“