Newsletter-Anmeldung
Verpassen Sie nichts!
Wir versorgen Sie regelmäßig mit den wichtigsten Neuigkeiten, Artikeln, Themen, Projekten und Ideen für EINEWELT ohne Hunger.
Newsletter-Anmeldung
Verpassen Sie nichts!
Wir versorgen Sie regelmäßig mit den wichtigsten Neuigkeiten, Artikeln, Themen, Projekten und Ideen für EINEWELT ohne Hunger.
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Waldrodungen schaden Mensch und Umwelt. Mit Baumschulen können Bauern Geld verdienen und dabei Gutes tun. Man muss nur wissen, wie es geht
Rafael Odwaro und seine Frau Sophia müssen nur ein paar Schritte aus ihrem Haus gehen und schon stehen sie mitten in ihrem Garten Eden. Rote, violette und gelbe Blumen blühen neben Kräutern, Spinat und Wildgemüse. Aloe Vera sprießt zwischen schützenden Hecken und rankenden Gewürzen, genau wie Bananenstauden, Mango- und Orangenbäume. Schmetterlinge fliegen umher, als könnten sie sich nur schwer entscheiden wo sie zuerst naschen sollen. In einem Wasserbecken ziehen kleine silberne Fische ihre Kreise. An den Garten schließt sich ein schattiger Platz mit Komposthaufen an und ein Gehege für Kühe. Laubbäume verbergen den Blick auf ein Gewächshaus, ein weiteres Gehege für Milchziegen und die etwas tiefer gelegenen Felder, wo gerade Süßkartoffeln, Erdnüsse und Kichererbsen sowie Futterpflanzen für die Tiere unter Papaya-Bäumen wachsen.
So verständlich es wäre: dem Ehepaar Odwaro mit seinen sieben Kindern liegt es fern, die Früchte des auf die göttliche Schöpfung verweisenden „Garten Eden“ allein zu genießen. Die Familie lädt Bauern aus der Umgebung ein und heißt Neugierige willkommen, darunter auch Universitätsstudenten, Regierungsvertreter und Forscher. Auch haben die Odwaros mitten in ihrem Garten ein Häuschen gebaut, das als Museum für Pflanzen und als Versammlungsort dienen soll. Vor wenigen Monaten ist noch ein Klassenzimmer unter Bäumen entstanden. Junge und alte Menschen sollen alles rund um die Umwelt und über nachhaltige Wertschöpfung aus der Natur lernen. „GENLINK“ heißt das Projekt. Drei Anliegen verbinden die Kleinbauernfamilie Odwaro mit einem 2014 gestarteten Projekt für integrierten Klima- und Ressourcenschutz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das von der Organisation World Vision und weiteren Partnern bis zu diesem Frühjahr umgesetzt wurde.
Erstens möchten sie vormachen, wie man mit nachhaltiger biologischer Landwirtschaft auf einer relativ kleinen Farm wirtschaftlichen Erfolg haben und wie man – trotz der Klimaveränderungen in Ostafrika - eine Familie das ganze Jahr über gesund ernähren kann. Zweitens möchten sie verödete Landschaften renaturieren und die Biodiversität erhalten und drittens Menschen für die Wiederaufforstung der Wälder gewinnen, damit sich das Klima und die Fruchtbarkeit der Böden verbessern. Dabei liegt es Odwaro besonders am Herzen, einheimische Bäume für die Landwirtschaft wiederzuentdecken und sie einzubeziehen. „Farming God’s Way“ ist sein christlich inspiriertes Motto, wie ein Schild in seinem Garten zeigt.
Bevor seine Oase entstand, sah es auf der Farm des Kenianers noch aus wie bei den meisten Bauern am Viktoriasee: Maisfelder, ein paar Kühe, Ziegen und Hühner. Damit konnte Odwaro seine Familie kaum ernähren. Bei einem Training in Agroforstwirtschaft, das ihm und anderen Bauern durch World Vision angeboten wurde, erwachte sein Interesse an Bäumen. „Meine Frau, meine Kinder und ich haben dann am runden Tisch beschlossen, es mit einer Baumschule zu versuchen“, erzählt der er. Rund um ihr Haus bauten sie aus Ästen Zäune und hängten daran Säcke mit Baumsetzlingen, damit die Tiere die Setzlinge nicht auffraßen. „Unsere ersten 3.000 Setzlinge wurden mit Abwasser aus der Küche großgezogen, weil wir keinen Brunnen hatten, und trotzdem habe ich diese Setzlinge gut verkaufen können“, sagt Odwaro lächelnd.
Nachdem ihn eine Dürre im Jahr darauf zurückwarf, verkaufte er eine Kuh, kaufte Material und grub mit seinen Söhnen das erste Regenauffangbecken. World Vision-Mitarbeiter beobachteten seine Anstrengungen und unterstützten ihn dann Schritt für Schritt dabei, wie er weitere Maßnahmen umsetzte: Er strukturierte seine Farm, legte Bewässerungsgräben an, pflanzte Bäume und lernte, wie man Gemüse anbaut. Das Herzstück aber blieb die Baumschule. „Es ist mir mit Hilfe des Projekts gelungen, eine moderne größere Baumschule einzurichten, in der ich jetzt gleichzeitig 30.000 Setzlinge ziehen kann“, berichtet Odwaro stolz. Besonders seine Obstbäume seien sehr begehrt, denn „Obst ist Luxus in dieser Gegend, und viele Familien können es sich nicht leisten regelmäßig welches für ihre Kinder zu kaufen“. Über das BMZ-Projekt hat er mehrere Schulen mit Setzlingen für Obstgärten versorgt, darunter die benachbarte Grundschule. Mittlerweile arbeitet er dort als Mentor für Umweltbildung. Gleichzeitig interessierten sich immer mehr Menschen in der Region für einheimische Laubbäume, denn die Aufklärungskampagnen zu den Vorteilen der Agroforstwirtschaft wirkten.
Die Heimat der Familie Odwaro, der Bezirk Homabay, war noch vor einigen Jahrzehnten zur Hälfte mit Wald bedeckt. Heute gibt es nur noch kleine Waldinseln, die übrige Landschaft ist mit dornigen Büschen und Feldern überzogen. Gegenden wie das Lambwe Valley leiden zunehmend unter Trockenheit. Wissenschaftler wie Dennis Otieno von der Universität Kisumu sagen: schuld daran sind die Rodungen. Wachsenden Siedlungen und die Landwirtschaft brauchen Bauholz, aber auch der Bedarf an Feuerholz und Holzkohle wächst. Außerdem frisst unkontrolliert weidendes Vieh nachwachsende Pflanzen.
Da das Land größtenteils in Privatbesitz und die Wiederaufforstung von Wäldern teuer ist, setzt die Regierung bei ihren Plänen darauf, dass die Bauern mitwirken. Ein Gesetz fordert sie dazu auf, mindestens zehn Prozent ihres Landes für Bäume zu reservieren. Doch wie bekommt man die Bauern dazu, ihr bisheriges Verhalten zu ändern?
Von dem 41-jährigen Lucio Andhamo aus dem Dorf Ogando bekommt man eine sehr trocken-rationale Antwort, auch wenn man sich kaum einen fröhlicheren Bauern vorstellen kann. Er erzählt zunächst von seiner Motivation: Er wollte etwas anders als seine Eltern, die ihr Leben lang hart arbeiteten und trotzdem keinen Erfolg hatten. „Ich war als Junge oft hungrig, obwohl mein Vater ein großes Stück Land vom Staat bekommen hatte, weil die Felder nur geringe Erträge brachten und außer Mais und Hirse kaum etwas angebaut wurde.“ Da der junge Andhamo nach der Schule vergeblich nach einem gutbezahlten Job in der Stadt gesucht habe, sei er zur Landwirtschaft zurückgekehrt. Die Idee eine Baumschule zu gründen, ließ ihn bald nicht mehr los. Erst durch die Schulungen des Projekts habe er aber das nötige Wissen über Bäume, ihre Aufzucht und ihre Früchte erlangt. „Vorher hatte ich eigentlich nur Eukalyptus und den Verkauf von Feuerholz im Sinn“, erzählt er.
Wenn sie in diesem blühenden Garten die Schönheit der Natur auf sich wirken lassen, erreichen wir ihr Herz, und dann verändert sich auch ihr Denken.
In nur vier Jahren veränderte Lucio Andhamo seine Farm grundlegend. Sie ist heute ein Musterbeispiel dafür, wie man Artenvielfalt, hohe Produktivität und geringen Wasserverbrauch kombinieren kann. Wichtig für seinen Erfolg sei die fortlaufende Beratung und die Zusammenarbeit in einer Gruppe gleichgesinnter Bauern gewesen. „Mein monatlicher Verdienst ist ungefähr zehn Mal so hoch wie mein früheres Einkommen“, sagt Andhamo. Um Kapital für weitere Projekte aufzubauen, habe er zusammen mit seiner Gruppe auf Anraten von World Vision eine Dorfbank gegründet. „Mit dem Erlös können wir nicht nur die Schulbildung unserer Kinder bezahlen, sondern unterstützen auch noch 35 Kinder aus sehr armen Familien und haben eine Schule mit 600 Setzlingen versorgt.“ Diese Erfolge hätten natürlich das Interesse bei anderen Bauern geweckt.
Sowohl Lucio Andhamo als auch Rafael Odwaro überzeugte aber noch etwas Anderes: allein indem man wild wachsende Bäume und Sträucher schützt und beschneidet, also ohne große finanzielle Investition, kann man fruchtbares Land zurückgewinnen. Unter diesen Bäumen wird der Boden gehalten und in der Regenzeit sammelt sich Wasser. Unter dem Namen FMNR (Farmer managed natural Regeneration) verbreitet World Vision diesen Ansatz erfolgreich in vielen afrikanischen Ländern, und auch die Regierungen mehrerer Bezirke in Kenia unterstützen inzwischen FMNR als Wiederaufforstungsmethode in ihren Entwicklungsplänen. Im Rahmen des BMZ-Projekts haben sich 2711 Bauernfamilien in Homabay in FMNR schulen lassen. Gemeinsam haben sie mehr als 600 Hektar Land renaturiert, obwohl ursprünglich nur 300 Hektar angestrebt waren. Einige der Bauern kombinieren die Aufzucht kleiner Wälder bereits mit der Bienenzucht, gewinnen somit auch Honig. Auch Andhamo plant dies zu tun.
Das entstandene Netzwerk zwischen Bauern, Förstern und Baumschulen, denen das Projekt auch Kontakt zu Fachorganisationen vermittelt, habe seinen Blick geweitet, ergänzt Rafael Odwaro. Daher könne er nun auch Mentor für die Leute in seiner Umgebung sein. „Wir haben hier vor allem ein Problem mit der Einstellung“, betont er. Deshalb lade er Erwachsene und Kinder in seinen Garten ein. „Wenn sie in diesem blühenden Garten die Schönheit der Natur auf sich wirken lassen, erreichen wir ihr Herz, und dann verändert sich auch ihr Denken.“
Das Ehepaar Odwaro hat sich dazu inspirieren lassen, ihre Visionen immer gemeinsam mit Kindern umzusetzen. „Sie sind die besten Botschafter in die Familien hinein, und deshalb kann man mit ihnen und ihren Schulen sowohl schnell als auch nachhaltig Dinge verändern“, ist Rafael Odwaro überzeugt. Durch das BMZ-Projekt wurde ein Handbuch für Umweltbildung an Schulen erarbeitet, doch vor allem wurde das praktische Lernen gefördert. Das ist auch im Umwelt-Klassenzimmer der Odwaros der Fall. So dürfen die Schüler, die aus den Dörfern unterhalb der derzeit noch kahlen Hügel zu den Odwaros kommen, Baumsetzlinge mitnehmen und einpflanzen, frisch geerntete Papaya probieren und unter Anleitung einer alten wissenden Frau Rinde auf Mahlsteinen zu heilendem Pulver zerreiben. Ein ehrenamtlich arbeitender Lehrer will die Phantasie der Kinder beflügeln und fragt sie, ob sie schon mal davon geträumt haben auf einen Baum zu klettern oder in einem Bach zu schwimmen. Auf dem Schulgelände, das momentan noch trocken und mit dornigen Akazien bewachsen ist, wurde kürzlich ein Obstgarten angelegt.
Der älteste Odwaro-Sohn, der inzwischen die Universität besucht, assistiert in den Ferien beim Unterricht. Währenddessen führt er eine Gruppe Schüler zu einem kleinen Park, zeigt auf ein Zebra, das aus Holz, Altkleidern und Plastikmüll hergestellt wurde. „Mit euren Talenten kriegt ihr es hin, dass solche schönen Tiere auch in einem Park in eurer Schule oder bei euch zuhause stehen, nicht wahr?“ Mehrere Kinder bejahen die aufmunternde Frage mit einem Nicken. Der nächste Garten Eden ist geboren. Zumindest in den Köpfen.
Auf der Webseite von Raphael Odwaro finden sich weitere Informationen zu GENLINK:
Zur Arbeit von World Vision auf www.worldvision.de