Gentechnik, Dünger und Agrarchemikalien - gegensätzliche Perspektiven

Ist die neue Gentechnik eine Innovation für die Welternährung? Und wie steht es um Dünger und Agrarchemie? Für den Ökolandwirt Felix Prinz zu Löwenstein sind alle drei Teil des Problems. Matthias Berninger vom Bayer-Konzern hält dagegen. Für ihn ist die Ablehnung der neuen Techniken die eigentlich riskante Ideologie. Ein Streitgespräch moderiert von Jan Grossarth.

2050 gilt es etwa 10 Milliarden Menschen zu ernähren. Die Bevölkerung Subsahara-Afrikas wird sich bis 2050 auf etwas mehr als 2 Milliarden verdoppeln. (c) Michael Jooß/GIZ

Von Dr. Felix zu Löwenstein

Felix Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg ist ein deutscher Agrarwissenschaftler und Landwirt. Er ist bekannt als Kritiker der industriellen Landwirtschaft. Als Vorsitzender des BÖLW (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) hilft er, die Entwicklung der ökologischen Lebensmittelwirtschaft zu fördern und hier zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Gut Habitzheim, welches sich seit 500 Jahren im Besitz der Familie befindet, stellte er auf Bio um.

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Von Matthias Berninger

Seit 2019 leitet Matthias Berninger den Bereich Public Affairs, Science and Sustainability beim deutschen Pharma- und Agrochemiekonzern Bayer. Von 1994 bis 2007 war er für die Grünen Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2001 bis 2005 zudem parlamentarischer Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Ab 2008 arbeitete er bei Mars in den Bereichen Kommunikation, Nachhaltigkeit und Strategieentwicklung, ab 2011 als Leiter Public Affairs.

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Herr Löwenstein, der Philosoph Hans Jonas hat Ihre Biografie stark beeinflusst. Er hat deutlich gesagt, wie riskant technische Innovationen geworden sind und forderte eine „Heuristik der Furcht“. Damals lebten etwa 4 Milliarden Menschen auf der Erde, heute sind es nahezu 8 Milliarden. Müssen wir uns mehr für Innovationen öffnen?

Löwenstein: Entscheidend für Jonas ist nicht, dass die Technologien der letzten 150 Jahre riskant, sondern dass sie wirkmächtiger geworden sind. Das heißt, die Auswirkung von Technologie auf den Menschen hat längst eine geografische und zeitliche Entgrenzung erfahren, indem sie sich auf verschiedene Kontinente und die Zukunft auswirkt. Daraus erwächst eine besondere Herausforderung für die Ethik.

 

Hans Jonas hat für Sie also nach wie vor Geltung?

Löwenstein: Absolut. In der Zwischenzeit sind eine Reihe von Wirkungen wie der Klimawandel und die Biodiversitätskrise hinzugetreten, die über das damalige Vorstellungsvermögen Jonas` weit hinausgehen. Dennoch wirken seine Mahnungen mit Blick auf die menschliche Wirkungsmacht aus heutiger Sicht prophetisch. Hans Jonas rät daher, eher Unheilspropheten als Heilsversprechern Glauben zu schenken. Wir müssen Innovationen, beispielsweise die Digitalisierung, trotz der großartigen Veränderungen, die sie bewirken, sehr kritisch auf die Frage abklopfen, ob sie mit Blick auf die menschliche Zukunft tatsächlich ein Fortschritt sind. Das nicht zu tun, wäre sehr leichtsinnig.

 

Können sie uns drei Innovationen in der Landwirtschaft nennen, die aus heutiger Sicht zu einem ethisch bedenklichen Ungleichgewicht geführt haben?

Löwenstein: Die Haber-Bosch-Synthese, die synthetische Chemie und die Gentechnik.

 

Damit sind wir auch im Kernbereich der Bayer AG angelangt. Herr Berninger, Sie sagen gelegentlich, die Ablehnung der Genom-Editierung durch europäische Politiker und NGOs sei vergleichbar mit dem Verhalten der osmanischen Sultane gegenüber der Erfindung des Buchdrucks. Europa werde dadurch in diesem Bereich technisch vom Rest der Welt abgehängt. Ist das rein provokativ, oder denken Sie das tatsächlich?

Berninger: Beides. Natürlich möchte ich damit zum Nachdenken anregen. Leider ist das aber auch nicht aus der Luft gegriffen. Sehen wir uns den Aufstieg und Fall des Osmanischen Reiches als wissenschaftlichem Zentrum an: Zum Aufstieg gehört die Adaption der Papierherstellung, lange bevor wir in Europa diese Technologie beherrschten. Teil des Niedergangs wiederum war es, den Buchdruck abgelehnt zu haben. Ähnliches spielt sich gegenwärtig mit den revolutionären Veränderungen an der Schnittstelle von Genomik und Künstlicher Intelligenz ab.

 

Kenia / Machakos District: mit einem Pflanzenschutzmittel behandelt ein Farmer die Anpflanzung von Hülsengewächsen. (c) Christoph Püschner/Brot für die Welt

Wir sperren uns gegen eine Form von Wissen und deren Anwendung?

Berninger: Ja. Erst vor wenigen Wochen hat die EU signalisiert, dass sie sich mehr als bisher mit den neuen Formen der Pflanzenzüchtung beschäftigen möchte. Das ist ein gutes Signal. Europa ist ein Innovationsmotor und spielt in Fragen der globalen Ernährung eine sehr wichtige Rolle. Angesichts der Klimakatastrophe wünsche ich mir, dass wir die Technologien, die uns zur Verfügung stehen, nutzen, um auch den Landwirten bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen. Hier sehe ich eine große Veränderung zur alten, sehr agronomisch geprägten Gentechnik-Debatte. Heute muss es stattdessen mehr um die gesamtgesellschaftlichen Vorteile gehen.

 

Die europäische Bevölkerung wächst im Grunde nicht mehr. In Ländern wie Frankreich nehmen die Waldflächen aufgrund der intensiven Landwirtschaft sogar noch zu. Wozu genau braucht Europa genom-editierte Nutzpflanzen?

Berninger: Mit Blick auf das Thema Ernährungssicherheit ist Europa unter dem Strich autonom. Andererseits ist man zur Deckung des massiven Fleischkonsums auf Importe, allen voran aus Lateinamerika, angewiesen. Der zweite Aspekt, weshalb sich Europa mit Genom-Editierung beschäftigen muss, ist die weltweite Ernährungssituation. Sollten wir diese nicht in den Griff bekommen, wird das zu einer regelrechten Entwurzelung der Menschen führen. Blicken sie zum Beispiel auf Ägypten und Nigeria, die Rang zwei und drei der weltweiten Importeure von Weizen belegen.

 

Europa muss Teil eines globalen Konsenses sein, damit neue Technologien in den genannten Ländern dazu beitragen, die wachsende Bevölkerung zu ernähren und deren Ernährungssituation zu verbessern. Europa hat eine Vorbildfunktion. Eine romantische Bequemlichkeit, wie sie in Ihrer Frage mitschwingt, halte ich für bedenklich.

 

Herr Löwenstein, können Sie diese Bedenken nachvollziehen?

Löwenstein: Die Geschichte zum Osmanischen Reich ist mir so auch bekannt. Nur ist nicht alles, was hinkt, auch ein Vergleich. Die Gentechnik ist eine Technologie, die breite und auch segensreiche Anwendung findet. Denken wir zum Beispiel an die Impfstoffe. Das Problem beginnt jedoch, wenn wir über die Fortpflanzung dieser veränderten Organismen keine Kontrolle mehr haben. Mit Blick auf die Landwirtschaft muss zwischen drei Aspekten unterschieden werden. Erstens, was ist tatsächlich das Potenzial dieser Technologien angesichts der genannten Herausforderungen? Die zweite Frage lautet, warum ist es erforderlich, Technologien nach dem Prinzip der Vorsorge zu regulieren? Es geht also um die Frage der Regulierung, nicht darum, Gentechnik zu verbieten. Drittens: Handelt es sich um eine Technologie, die der ökologische Landbau anwenden sollte?

 

Nach dem Vorsorgeprinzip dauert es etwa zehn Jahre bis eine Sorte zugelassen wird. Eine lange Zeit.

Löwenstein: Das hängt zunächst von dem jeweiligen Zulassungsverfahren ab, die nun von der EU neu geprüft werden. Die Forderung von Herrn Berninger lautet aber vermutlich, dass es gar keine Regulierung geben soll.

 

Berninger: Ich glaube, dass Regulierung durchaus ein wichtiger Bestandteil ist. Es stellt sich aber die Frage, ob man reguliert, um etwas willkommen zu heißen, oder ob man versucht, etwas zu verhindern. Es sollte die Motivation zugrunde liegen, etwas möglich zu machen. Diese Tür war in der EU bisher verschlossen, nun ist sie offen. Ich wünsche mir, dass wir nicht in den alten Konfliktlinien durch diese Tür hindurch gehen.

 

Herr Löwenstein, stört sie etwas an diesen alten Konfliktlinien, oder würden Sie diese Debatte auch gerne anders geführt wissen als noch vor 30 Jahren?

Löwenstein: Diese Einteilung unterstellt eine ideologische Fixierung aufgrund irgendeiner Gruppenzugehörigkeit, die ich ablehne. Dass eine bestimmte Weltsicht ebenso wie bestimmte Interessen eine Rolle spielen, steht außer Frage. Ein solches Interesse von Konzernen wie Bayer ist zum Beispiel die mit Patenten belegte Entwicklung genveränderter Organismen.

 

Es geht bei der Regulierung darum, alle denkbaren Risiken unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge zu betrachten. Und es geht darum, die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie für die Landwirtschaft als wichtiges demokratisches Gut zu gewährleisten.

 

Bei der CRISPR/Cas-Methode haben wir es allerdings mit einer neuen Form von Nutzpflanzen zu tun. Das Narrativ der „bösen Chemiekonzerne“, dessen an Resistenzen gekoppelte Chemikalien die Landwirte abhängig machen, scheint in diesem Fall nicht mehr zu funktionieren…

Berninger: Wir sprechen von kürzeren und damit gegen Stürme wesentlich resistentere Mais-Sorten. Wir sprechen von Resistenz gegen Trockenheit. Auch über die Beschleunigung von Züchtungsverfahren, die dazu beitragen, dass Weizen sich schneller an verändertes Klima anpassen kann. Vorhin ist bereits das Stichwort Haber-Bosch gefallen. Hierbei stellt sich die Frage, ob wir es nach etwas mehr als 100 Jahren schaffen, die Haber-Bosch-Methode zu ersetzen.

 

Wie wahrscheinlich ist es denn, dass wir in 10 Jahren diese schönen neuen Pflanzen im globalen Maßstab auf den Feldern haben?

Berninger: Mitte dieses Jahrzehnts wird dieser gegen Stürme wesentlich resistentere Mais überall auf der Welt wachsen.

 

Ein Bauer, der seinen konventionell gezüchteten Mais prüft. (c) GIZ/Alex Kamweru

Löwenstein: Ein interessantes Beispiel – weil es die Frage aufwirft, welche Rolle in der Lösung solcher Probleme das Genom der Pflanze spielt, und andererseits: welche das System des Anbaus. Nach den verheerenden Auswirkungen der „Dust Bowl“ in den 1930er Jahren begann man in den USA mit sogenanntem Streifenanbau die Erosion durch Wind zu bremsen. Mit dem Verblassen der Erinnerung sind die Streifen über die Jahre allerdings immer breiter geworden. Die Probleme sind deshalb zurückgekehrt. Ist in diesem Fall und auch grundsätzlich die Lösung für eine verbesserte Klimaresilienz also nicht vielmehr in der Agrarlandschaftsgestaltung zu suchen? Wie sieht es mit der Bodenfruchtbarkeit aus? Wie mit seiner Wasserspeicherfähigkeit? Mit Blick auf das Thema Klimaresilienz sind das die zentralen Punkte – und nicht das Potenzial der Gentechnik. Mit anderen Worten: Wir gehen die Frage am falschen Ende an.

 

Berninger: Ich glaube, wir fixieren uns zu oft auf falsche Alternativen, zwischen denen es zu wählen gilt. Um bei dem Beispiel des Kurzhalmmais‘ zu bleiben: Sie brauchen 20 Prozent weniger Fläche für den gleichen Ernteertrag. Das ermöglicht es, sowohl Ertragssicherheit als auch andere Flächengestaltungen miteinander zu versöhnen.

 

Löwenstein: In den letzten 20 Jahren wurde unentwegt von einer Erhöhung der Erträge durch Gentechnik gesprochen – passiert ist es allerdings nicht.

 

Berninger: Das sagen die Zahlen aber was anderes.

 

Löwenstein: Es gibt durchaus Gentechniksorten, die höhere Erträge haben. Das stimmt. Allerdings nicht wegen der Gentechnik. Es gibt kein einziges Merkmal, das in der Praxis angekommen ist und höhere Erträge durch die gentechnische Veränderung hervorgebracht hat.

 

Berninger: Nein. Der bereits angesprochene Mais ist ein gutes Beispiel. Hier ist mit Hilfe von Gen-Editierung die Kombination aus einem sehr kurzen Mais mit einem sehr hohen Ertrag gelungen. Das ist vergleichbar mit der Weizenzucht des Nobelpreisträgers Norman Borlaug. So ein Erfolg ist deshalb möglich, weil die Kosten für Genom-Analysen heute extrem schnell sinken und weil wir in der Lage sind, zielgenauer zu züchten. Bayer hat sich entschieden, diese Technologie in drei Varianten anzubieten: als konventionell gezüchteten, gen-editierten oder gentechnologisch veränderten Mais anzubieten. Letzterer ist dann auch mit zusätzlichen Merkmalen ausgestattet, beispielsweise Insektenresistenz. Wir wollen Ländern, die auf Gentechnik verzichten, diese Innovation nicht vorenthalten.

 

Es ist Ihnen also auch gelungen, mit konventioneller Zucht in ähnlich kurzer Zeit diesen Mais mit der Eigenschaft Kurzhalm zu züchten?

Berninger: Sie kriegen allerdings nicht die gleichen Effekte. Wenn man die drei Varianten nebeneinanderstellt, sieht man bei traditionell gezüchtetem Mais im Vergleich zu gen-editiertem Mais eine deutlich geringere Sturmresilienz.

 

Herr Löwenstein, stellen Sie sich vor, dieser mit CRISPR/Cas editierte Kurzhalm-Mais würde in einem agrarischen Produktionssystem mit Fruchtfolgen, Hecken, Bäumen und moderater Düngung eingesetzt werden. Wären Sie in diesem Fall, bereit den Einsatz dieser Technik zu akzeptieren?

Löwenstein: Die eben angesprochene Insektenresistenz würde ja wieder ein Produktionssystem hervorbringen, bei dem Fruchtfolgen keine Rolle spielen. Wenn man Insekten auf natürliche Weise in Schach halten möchte, führt das notwendig zu Vielfalt im Fruchtwechsel. Wenn man das berücksichtigt, stellt sich der Beitrag dieser Innovation anders dar.

 

Der von Herrn Berninger vorgestellte sturmresiliente Mais ermöglicht die Fortführung eines Systems, das Biodiversität und Landschaft verwüstet und Bauern in Abhängigkeit hält. Und das obwohl eine Sturmresilienz durch Landschaftsgestaltung ganz ohne Gentechnik möglich ist.

 

Berninger: Ich halte nichts von alten Feinbildern. Mit Blick auf die im Rahmen des UN Food Systems Summit stattfindenden Gespräche zeichnet sich ein Konsens ab, wonach heutige Ernährungssysteme erhebliche Probleme haben. All die Probleme – Entwaldung, Klimawandel, Armut im ländlichen Raum, Ernährungsunsicherheit – sind bekannt. Es stimmt mich sehr skeptisch, wenn versucht wird, diese Probleme einfach der bösen Industrie anzulasten. Statt solcher Zuweisungen müssen wir darüber reden, wie 8 Milliarden Menschen ernährt werden können.

 

Afrikas Bevölkerung liegt bei etwas über einer Milliarde Menschen und wird bis 2050 auf ungefähr zwei Milliarden ansteigen. Dazu kommen Prognosen einer Klimaerwärmung von stellenweise bis zu drei Grad. Welche tragfähigen Innovationen bietet der Öko-Landbau unter diesen Bedingungen für Subsahara-Afrika?

Löwenstein: Ich war unter anderem im Senegal, im Tschad, in Kongo, Äthiopien und Burkina Faso. Was diese Regionen kennzeichnet sind Kleinbauern. Der begrenzende Faktor für diese Bauern ist nicht die Arbeit, sondern die Fläche. Das ermöglicht ihnen Lösungen und Systeme mit einer enormen Vielfalt an Kulturen, die sie auf einer sehr kleinen Fläche anbauen und miteinander geschickt kombinieren. Das sind stabile Systeme, die ohne größeren Eingriff von außen funktionieren. Und dazu haben sie meist auch eine hohe Produktivität. Gründe dafür sind die Bodenfruchtbarkeit, aber durch die Kombination in vielen Stufen auch mehr Blattfläche pro Quadratmeter als ein reines Maisfeld. Ich habe Bäuerinnen erlebt, die gehen noch weiter und kombinieren z.B. Aquakultur mit diesem Mischanbau. Das sind innovative Systeme!

 

Dann ist dort alles in guter Ordnung?

Löwenstein: Nein. Das Problem der landwirtschaftlichen Realität in diesen Ländern ist es, dass der Anteil solcher Bauern leider nur sehr gering ist. Der allergrößte Teil von ihnen imitiert unsere Monokultursysteme mit entsprechenden Abhängigkeiten und Risiko. Was wir dringend brauchen, sind Innovationen im Sinne einer ökologischen Intensivierung und ein entsprechendes Wissensmanagement. Dadurch wird es auch in Afrika möglich, beides zu erreichen: eine erhöhte Produktivität und Stabilität.

 

DR Kongo, Katende: Auf einem Gemeinschaftsfeld arbeiten die Bewohner zweier Dörfer zusammen in der Feldbewirtschaftung. (c) Christoph Püschner/Diakonie Katastrophenhilfe

Überzeugt Sie das, Herr Berninger?

Berninger: Ich glaube auch, dass Öko-Landbau hochinnovativ sein kann. Ich bin und bleibe da neugierig. In Gesprächen beispielsweise mit Urs Niggli, der sehr viel für die Forschung im Öko-Landbau getan hat, komme ich mir fast vor wie ein Innovations-Ladendieb. Da gibt es einige gute Ideen, die ich gerne aufgreife. Ein wichtiger Punkt ist, dass die afrikanische und indische Landwirtschaft auch in der Zukunft eine stark von Kleinbauern geprägte bleiben wird. Es wäre verkehrt, unsere Idee von Innovationen eins zu eins zu übertragen.

 

Herr Löwenstein, ich war beispielsweise in Sambia. Dabei sind mir die Agrarhändler aufgefallen, die in ihren kleinen Hütten Chemie und Dünger verkaufen. Für die Kleinbauern und ihre Brotfrucht, den Mais, schienen mir diese ‚Agro-Dealer‘ eine wichtige Rolle zu spielen. Denken Sie nicht, dass mit Blick auf die steigende Weltbevölkerung auch Dünger und Chemikalien ein Teil der Lösung sind?

Löwenstein: Sie sind nur dann ein Teil der Lösung, wenn wir an den Systemen festhalten, die sie erforderlich machen. Ich habe vor drei Jahren im Auftrag von Misereor eine sehr interessante Reise auf die Philippinen gemacht. Ich habe dort Bauern besucht, die der Masipag-Bewegung angehören. Diese Bewegung ist als Reaktion der Bauern gegen die Hochertragssorten der Grünen Revolution entstanden, da sie sich diese wegen der erforderlichen „Inputs“ sowie erhöhten Wasserbedarfs nicht leisten konnten. In Zusammenarbeit mit Universitäten des Landes haben sie deshalb angefangen, ihre Reissorten weiterzuentwickeln. Übrigens mit sehr spannenden Ergebnissen in Bezug auf Eigenschaften wie z.B. Überflutungsresistenz, von denen fälschlich behauptet wird, sie erforderten den Einsatz von Gentechnik. Eine Studie von Misereor hat sich angesehen, welche Wirkungen diese Bauern erzielen. Im Vergleich zu den konventionellen Bauern zeigten sich deutliche Vorteile mit Blick auf die Ernährungssicherheit, Gesundheit, Schulbildung und Eigenkapitalbildung.

 

Warum machen Ähnliches dann nicht auch die Bauern, die ich in Sambia besuchte?

Löwenstein: Tja: Auf die Frage, weshalb nicht alle Bauern diesen Weg einschlagen, erklärte man mir vor Ort, dass die Personen, die die Betriebsmittel für ‚high-yielding varieties‘ verkaufen, meist auch die Eigentümer des Landes sind. Und dass sie gleichzeitig als Kreditgeber agieren. Es sind also Abhängigkeiten, die solche Innovationen verstellen – oder auch Mangel an Ausbildung und Beratung. Das könnte in Sambia ähnlich sein.

 

Berninger: Das ist eine der Sachen, welche mich wirklich stören. Dieses einfache Weltbild: Auf der einen Seite die böse Wirtschaft, die die Bauern abhängig macht, und auf der anderen Seite die hochinnovativen Lösungen, die Vandana Shiva für alle bereit halte. So werden wir die Ernährungsprobleme nicht lösen! Die Bauern haben, ganz egal welche Form von Landwirtschaft sie betreiben, mit Wasserknappheit, Extremwetterveränderungen, Insektenbefall und vielem mehr zu kämpfen. Ob groß oder klein, mit oder ohne Chemie, werden alle mit großer Wucht davon betroffen sein. Ich halte deshalb nichts davon, diese Spalterei zu betreiben. Sie ist das Ergebnis einer ideologisch geprägten Diskussion.

 

An wen denken Sie zum Beispiel?

Berninger: Was mich in Diskussionen mit Misereor besonders stört, ist beispielsweise deren Ablehnung des Zugangs zu Familienplanung, welche allen voran den Bäuerinnen extrem helfen würde. Ich bin da relativ pragmatisch.

 

Ich glaube, die meisten der Kleinbauern sind extrem gute Unternehmer und Überlebenskünstler. Was wir aber tun müssen, ist ihnen Zugang zu Lösungen zu geben. Egal, ob es Familienplanung, vernünftiger Dünger oder die ‚richtige‘ Chemie ist.

 

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie die Möglichkeiten bekommen, die sie brauchen, um sich selber aus der extremen Armut zu befreien. Und das schaffen wir nicht mit unseren konservierten Ideologien. Wenn man komplett auf diese angesprochenen Technologien verzichtet, ist das Risiko von extremen Ernteverlusten sehr hoch. Bevor diese Technologien eingesetzt wurden, gab es selbst in dem damals agronomisch besten Land überhaupt, Frankreich, reihenweise verheerende Totalernteverluste. Die erleben wir heute nicht mehr, weil wir Pflanzenschutz betreiben.

 

Löwenstein: Die Frage der ideologischen Diskussion aufzuwerfen und sich gegen etwas zu positionieren, was der andere gar nicht gesagt hat, ist eine geschickte Methode von Herrn Berninger. Was dann folgt, ist die eigene ideologisch eingefärbte Argumentation! Lassen Sie uns doch lieber konkret über Chemie sprechen. Wir sind uns doch einig, dass es nicht darum geht Irgendjemandem – aus welchen Gründen auch immer – ein System aufzuzwingen. Es geht doch vielmehr um die Kleinbauern, insbesondere in Asien und Afrika, und deren Kapitalknappheit und die damit verbundene Abhängigkeit. Ein erfolgreiches landwirtschaftliches Modell für diese Bauern ist ein von Inputs unabhängiges System. Das würde ihnen wirklich helfen und zu Ertragsstabilität und Ernährungssouveränität führen. Erst kürzlich wurde im Guardian von einer neuen Meta-Studie im Journal Frontiers in Environmental Science berichtet. Die Studie verdeutlicht die negativen Auswirkungen von Pestiziden auf das Bodenleben. Eine Tatsache die leider nicht viel Aufmerksamkeit erfährt. Die Wirkungen sind desaströs. Nicht nur, weil Organismen getötet werden, die nicht beeinträchtigt werden sollen, sondern auch, weil diese Stoffe selektierend in Ökosysteme eingreifen.

 

Eine kürzlich im Journal Frontiers in Environmental Science veröffentliche Meta-Studie verdeutlicht die negativen Auswirkungen von Pestiziden, deren Stoffe selektierend in das Bodenleben und Ökosysteme eingreifen. (c) Michael Jooß/GIZ

Berninger: Um auf Afrika zurückzukommen, möchte ich nochmals zwei Probleme ansprechen: Zum einen der Herbst-Heerwurm, der sich in Afrika mit sehr großer Geschwindigkeit ausbreitet und Menschen im ländlichen Raum die Lebensgrundlage nimmt. Das zweite Beispiel ist die Heuschreckenplage, von der wir ja wissen, dass sie sehr eng mit dem Klimawandel zusammenhängt. Warum die beiden Beispiele? Wir werden jetzt in Afrika mehrere Länder sehen, die Bt-Mais genehmigen werden – also durch Gentechnik insektenresistenten Mais, weil interessanterweise diese Bt-Mais-Versuchsfelder den Herbst-Heerwurm überlebt haben. Hier sehen wir den Vorteil von diesen Technologien in besonderem Maße. Mit Blick auf die Heuschreckenplage haben wir ein in Frankreich produziertes Insektizid, das in dieser Formulierung in der EU nicht zugelassen ist,  und wurde im Rahmen eines von der FAO koordinierten Einsatzes gegen die Heuschreckenplage eingesetzt. Das hatte erhebliche Wirkungen, indem es dazu beigetragen hat, 30 Millionen Menschen die Lebensgrundlage zu sichern. Diese Größenordnungen gehen manchmal in der Debatte verloren.

 

8 Milliarden Menschen werden wir nicht mit Anekdoten ernähren.

 

Sie argumentieren auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Auf der einen Ebene die von Herrn Löwenstein angesprochenen Risiken der Nutzung auf Ökosysteme, die lange Zeit auch in der ganzen staatlichen Regulatorik und wissenschaftlichen Beurteilung nicht so im Fokus standen. Auf der anderen Ebene haben wir die selektiven Erfolgsbeispiele, die die Anwendung von Insektiziden oder sogar Bt-Mais nahelegen. Herr Löwenstein, wie beurteilen Sie diese Beispiele im Hinblick auf Innovativität? Sind das Innovationen oder sind es „letzte Hilfsmittel“ im „verkehrten System“?

Löwenstein: Diese Heuschreckenplage ist ja ein sehr gutes Beispiel. In der Tat ist es jetzt so weit gekommen, dass wahrscheinlich gar nichts anderes mehr möglich ist, als dieses Insektizid einzusetzen. Aber man hätte sehr viel früher eingreifen können. Es gibt es längst ein biologisches Mittel, um den Zusammenschluss der einzelnen Heuschrecken zu diesen Hopper-Banden, welche derart großen Schaden anrichten, zu verhindern. Erforderlich wäre hier eine entsprechende Beobachtung dieser Bandenbildung und ein rechtzeitiges Eingreifen. Zweitens hat man ein Mittel, Green Muscle, das aus einem Pilz gewonnen wurde, den man im Niger findet. Damit kann man Heuschrecken ohne ökologische Schäden bekämpfen. Leider wurde das aber nie in ausreichender Menge hergestellt – und steht deshalb heute auch nicht zur Verfügung. Es sind diese Versäumnisse, die den Einsatz von chemisch-synthetischen Stoffen notwendig macht, obwohl es auch anders gegangen wäre wären. Auch Bayer könnte Green Muscle in ausreichendem Umfang herstellen. Wir müssen Lösungen finden, die nicht mit Stoffen in Ökosysteme eingreifen, worauf die Evolution sie nicht vorbereitet hat, weil wir ansonsten Wirkungen anrichten, die wir nicht voraussehen können.

 

Herr Berninger, haben Unternehmen wie Bayer die Dimension des Risikos, welche Pestizide auf das Bodenleben haben, unterschätzt?

Berninger: Nun, zum einen finde ich es gut, dass die Frage von Bodengesundheit und regenerativer Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wir können in diesem Bereich viel von Ökolandbäuerinnen und -bauern lernen. Wir sind heute in der Tat zu sehr abhängig von Agrarchemikalien, die in den 1940er und 1950er Jahren entwickelt wurden, und müssen stattdessen auf modernere setzen. Und ja: Insgesamt müssen wir die Umweltauswirkungen von Agrarchemikalien in den Blick nehmen. Hierzu hat die Universität Kopenhagen eine sehr gute, differenzierte Studie durchgeführt, die wir als Maßstab genommen haben. Mit Blick auf Bodengesundheit braucht es weniger Stickstoffdünger. Dazu bedarf es aber auch wieder Technologie. Einer der großen „Moonshots“, den ich in meiner beruflichen Laufbahn gerne erreichen würde, ist eine valide Alternative zum Haber-Bosch-Verfahren. Eine, die im Maßstab von 8 Milliarden Menschen funktioniert.

 

Dorf Kotanega in Kenia: Bei einem landwirtschaftlichen Seminar lernen die Kleinbäuerinnen und Bauern die Bestimmung des Gefälles für die Ausrichtung der Furchen beim Pflügen zum Schutz vor Erosion. (c) Joerg Boethling

Wie kann diese Alternative aussehen?

Berninger: Hier ist die Innovation sozusagen an der Wurzel. Gemeint ist die Kombination aus Pflanze und Bodenbiom. Auch da hilft uns die Bio-Revolution. Bayer investiert sehr viel in dieses Thema.

 

Bayer hat inzwischen angeboten, fast 12 Milliarden Dollar Vergleichszahlungen zu leisten. Das Unternehmen scheint aufgrund der Akquisition von Monsanto fast am Rande des Abgrunds zu stehen. War das Glyphosat im Rückblick eine Innovation oder die Geschichte eines Irrtums?

Berninger: Heute ist die Landwirtschaft weltweit von Glyphosat abhängig, und damit auch die Ernährung von 8 Milliarden Menschen. In Europa spielt es aber eine weniger große Rolle. In den tropischen Bereichen, aber auch in Nord- und Südamerika ist der heutige Ertrag ohne Glyphosat nicht denkbar. Ich glaube, dass wir in 30 Jahren nicht mehr derartig von Glyphosat abhängig sein werden, da es Innovationen im Herbizidbereich geben wird. Generell ist mir nie wohl, wenn man von einer Chemikalie so abhängig ist, wie das heute der Fall ist. Da sind wir wieder beim Ausgangspunkt des Gesprächs, bei Hans Jonas.

 

Herr Löwenstein, haben Sie als Leser von Hans Jonas womöglich schon früher geahnt, dass Glyphosat eine zu einseitige Abhängigkeit schafft?

Löwenstein: Ich bin auch schon sehr lange Landwirt. 1978 habe ich mein Diplom gemacht. Damals wurde mir an der TU München beigebracht, dass man als Landwirt ohne die rettende Hand von Monsanto, Bayer, BASF und Syngenta in der feindlichen Natur, der man seine Erträge abringen muss, nicht überleben kann. Fort- und Weiterbildungen waren Winterveranstaltungen der chemischen Industrie. Ich möchte damit sagen: In meinem Weltbild gab es nichts anderes. Bei den allermeisten Bauern ist das bis heute so. Irgendwann hat bei mir ein Lernprozess eingesetzt. Wir haben auf unserem Hof den Pflug vor Jahren rausgeworfen, weil wir nicht mehr so in den Boden eingreifen wollen. Und das, obwohl wir kein Herbizid zur Hand haben. Stattdessen nutzen wir eine gut aufeinander abgestimmte Landtechnik.

 

Glyphosat braucht man nicht?

Löwenstein: Der von Herr Berninger aufgeschlagene Horizont von 30 Jahren Glyphosat – einem Mittel, das ein Patent als Antibiotikum besitzt und nachweislich schädliche Wirkungen auf Mikroorganismen hat – lässt mich schaudern. Um es mal deutlich zu sagen: Ich verstehe das Problem von Bayer. Eine ökologische Landwirtschaft – ich meine nicht ausschließlich Öko-Landbau nach EU-Richtlinien – wird immer eine Landwirtschaft sein, die weniger Input braucht. Wir spritzen zwar auch im Öko-Landbau, aber gerade mal auf ungefähr sechs Prozent der Ackerfläche. Konventionell sind das 100 Prozent.

 

Auch wenn ökologische Betriebsmittel ein Geschäftsfeld für die Industrie bilden, so wird der Umsatz, der mit ökologischer Landwirtschaft zu machen ist, immer sehr viel geringer sein. Das Geschäftsfeld Agrarchemie hätte in diesem Fall also keine große Zukunft.

 

Berninger: Die Frage, wie Bayer Geld verdienen wird, bewegt sich im Agrarbereich entlang von drei Themen: Erstens geht es um die Verringerung von CO2-Emissionen in der Landwirtschaft. Zum zweiten, wie wir Landwirte in die Lage versetzen, CO2 aus der Luft zu binden, und drittens, wie wir die Resilienz verbessern und damit weltweit Ernährung sichern. Das sind die drei Bereiche, mit denen wir Geld verdienen werden. Die Probleme unserer Ernährungssysteme sind riesig. Aber wenn man als Unternehmen in der Lage ist, einen sinnvollen Beitrag zur Lösung eines Problems zu leisten, wird man damit auch Geld verdienen können. Wir sind Welten entfernt von 1978, dem Jahr Ihrer ersten Erfahrungen in der Landwirtschaft, Herr Löwenstein. . Sieben der letzten zehn Chemie-Nobelpreise sind im Bereich der Bio-Revolution vergeben worden. Das beschreibt eine grundsätzliche Disruption. Wir leben in einer komplett anderen Welt mit völlig anderen Möglichkeiten in diesem Bereich. Ich wünsche mir, dass gerade diejenigen, die viel dazu beitragen können – hier meine ich explizit den Öko-Landbau – sich bei der Bio-Revolution einbringen.

 

Kenia / Marsabit: ein Viehhirte auf seinem ausgetrockneten Weideland. (c) Christoph Püschner/Diakonie Katastrophenhilfe

Löwenstein: Sie haben mir gerade panische Angst eingejagt, als Sie die CO2-Gewinnung aus der Luft als eines von drei zukünftigen Geschäftsfelder von Bayer im Agrarbereich aufgezählt haben. Haben Sie inzwischen ein Patent auf Photosynthese? Denn das ist die Methode der Natur…

 

Berninger: Nun, lassen Sie uns ernsthaft zum eben genannten Mais zurückkehren. Eine Stärke, die dieser Mais haben wird, ist ein Wurzelwerk, das deutlich mehr CO2 bindet. Traditionell hat man sich darum nicht gekümmert. Da ging es um Erträge pro Hektar. Jetzt geht es auch darum, wie wir CO2 aus der Atmosphäre nehmen, weil wir nur so zu einer grünen Null im Klimabereich gelangen. Das sieht man in den USA und in Europa. Dort werden sich völlig neue Geschäftsfelder entwickeln. Das ist eine der Konsequenzen der wegweisenden Entscheidung in Brüssel in Sachen Klimaschutz.

 

Können Sie noch weitere Beispiel für Forschung und Entwicklung im Bereich CO2-Bindung nennen?

Berninger: Ein anderes Beispiel ist ein Reis, der trocken eingesät wird und weit weniger Methanemissionen hat. Neben weniger Methanemissionen benötigt dieser Reis erheblich weniger Wasser zum Wachsen. Eine riesige Innovation, wie ich finde.

 

Herr Löwenstein, wie bindet der intensivierte Öko-Landbau CO2?

Löwenstein: CO2-Bindung geschieht ja dadurch, dass Pflanzen Photosynthese betreiben und den Kohlenstoff über die Wurzel ausscheiden oder durch abgestorbene Pflanzenteile in den Boden bringen. Ein intensives Bodenleben wiederum verknüpft dies zu einer längeren Kette, bis Dauerhumus entsteht. Dazwischen gibt es viele Abbau- und Umsetzungsvorgänge. Die entscheidende Rolle dabei spielt die Vielfalt – der Pflanzen und die Vielfalt des Bodenlebens. Das ist auch der Grund, warum Bio-Betriebe im Durchschnitt mehr Humusbildung haben. Übrigens habe ich den Trockenreis, von dem Herr Berninger sprach, 1987 schon in der heutigen D.R. Kongo kennengelernt. Allerdings ist das Projekt gescheitert, weil im darauffolgenden Jahr die USA eine Überernte an Reis hatte und ihn deshalb als Nahrungshilfe an die D.R. Kongo verschenkt hat. So ganz neu ist das also nicht.

 

Berninger: Damit wir uns richtig verstehen: Es muss nicht alles neu sein. Ich glaube nur, dass man vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe alles neu bewerten muss. Und der Bio-Landbau hat sich nun wirklich etabliert. Er muss keine Angstmacherei betreiben und mit der Furcht von Menschen spielen, damit diese Premium-Preise bezahlen. Da wünsche ich mir manchmal auch mehr Souveränität und weniger ‚wir und die anderen‘.

 

Löwenstein: Eine Voraussetzung, um das Innovationspotenzial im Öko-Landbau zu nutzen, wäre es, wirklich Geld in diese systemische Fragestellung zu investieren. Der Schweizer Agronom Urs Niggli hat ausgerechnet, dass weltweit ein Prozent der Forschungsmittel dafür aufgebracht wird. Alleine die EU hat für Crispr-Cas in den vergangenen 10 Jahren 700 Millionen Euro bereitgestellt. Dieses Ungleichgewicht führt zu Pfadabhängigkeiten. Das können wir von BASF und Bayer nicht verlangen. Da geht es um die öffentliche Forschung, die allein in der EU eine derartige Menge an Geld für eine einzige Technologie einsetzt.

 

Berninger: Die EU-Grundlagenforschung in diesem Bereich hat erheblich zu zwei der drei mRNA-Vakzin-Plattformen beigetragen, die uns erheblich geholfen haben, zu einer Normalität in der Corona-Pandemie zurückzukehren. Auch da wieder zu sagen, da sei etwas schiefgelaufen, weil die Ökobauern nichts bekommen haben, halte ich für den falschen Ansatz. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Es würde dem Ökolandbau erheblich helfen, wenn wir in diese Technologien investieren.

 

Sie haben wunderbar und engagiert gestritten. Können Sie zum Abschluss den Leserinnen und Lesern dieser Publikation eine aktuelle Literaturempfehlung geben, die Landwirtschaft innovativ denkt und einen neuen Weg aufzeigt?

Berninger: Hierzu empfehle ich ‚The Prophet and the Wizard‘ von Charles C. Mann.

 

Löwenstein: Ich empfehle ,Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur‘ von Andrea Wulf.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Ausreichende und ausgewogene Ernährung, höhere Einkommen und mehr Beschäftigung im ländlichen Raum – das sind die Ziele der 15 Grünen Innovationszentren, die in Afrika und Asien entstanden sind. Doch wie sieht die konkrete Umsetzung in Bamko, Mali aus?

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Auf Innovationen liegt die Hoffnung der Entwicklungspolitik

Auf Innovationen liegt die Hoffnung der Entwicklungspolitik. Aber was ist eigentlich eine Innovation, die Afrika wirklich weiterbringt? Mit Unterstützung der SEWOH-Partner hat sich Journalist Jan Grossarth kritisch mit der Forderung nach Innovation auseinandergesetzt.

Ist Innovation ein Heilmittel? Ein nichtssagendes Füllwort? Sogar problembehaftet? Und: Inwiefern? Im post-kolonialen kritischen Blick auf die Vergangenheit erscheint die „Innovationsgeschichte“ Afrikas jedenfalls zweischneidig. Der Historiker Clapperton Chakanetsa Mavhunga, der am amerikanischen MIT lehrt, beklagt ein Scheitern und sogar eine überwiegend zerstörerische Wirkung „westlicher“ Technik- und Wissensexporte nach Afrika. In seinen Werken über die Innovationen in Afrika erscheint das „kapitalistische Entrepreneurship“ als „Imperialismus“ in veränderter Form und dessen Natur geradezu als „parasitär“. Ein problematischer Innovationsbegriff sei vor allem aus Europa nach Afrika transferiert worden. Einer nämlich, der auf technische Aspekte und die industrielle Skalierung und kommerzielle Nutzung eng führe.

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Starke Bäuerinnen und Bauern braucht die Welt!

Starke Bäuerinnen und Bauern braucht die Welt! Aber was bedeutet das und wie lässt es sich organisieren? Mit Unterstützung der SEWOH-Partner hat der Journalist Jan Grossarth Leitgedanken zum Thema in einem Artikel zusammengetragen.

Der organisierte agrarwirtschaftliche Lobbyismus der Industriestaaten ist die Ausnahme. Ist der politische Einfluss bestimmter Interessengruppen, die parlamentarisch gut vernetzt für Fleischexporte oder Biomassesubventionen im Hintergrund wirken, übergroß und untertransparent? Über solche Fragen wird in Europa und den Vereinigten Staaten aus guten Gründen diskutiert, auch in Brasilien oder Argentinien. Mit Blick auf die Welternährung gerät eine andere, gewissermaßen gegenläufige Frage in den Hintergrund: Wie kann „guter Lobbyismus“ für die Entwicklungsinteressen der Kleinbauern der Welt entstehen? Denn wäre es nicht im Sinne vieler, und auch für die Sicherung einer stabilen Welternährung notwendig, dass die Hunderte Millionen Bauern vor Ort, in Afrika und Asien, ihre Existenz- und Entwicklungsinteressen in den Parlamenten, Medien und internationalen Organisationen wirksamer vertreten?

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Agrarökologie: eine globale politische Leitperspektive?

Agrarökologie ist weltweit ein beliebtes Schlagwort in der Ernährungspolitik. Dahinter steht ein Komplexes Konzept, das Journalist Jan Grossarth mit Unterstützung der SEWOH-Partner näher beleuchtet und hinterfragt hat.

Agrarökologie lässt sich nicht in einem Satz definieren. Dafür benötigt man mehrere Seiten. Vielleicht aufgrund ihrer Vielschichtigkeit ist sie als politische Leitperspektive geeignet, allen zu gefallen. Die Europäische Kommission stützt sich im Rahmen ihres Transformations-Zehnjahresplans „Green Deal“ auf das Konzept. Auch die ernährungspolitische Strategie der EU-Kommission „Farm to Fork“ nimmt Bezug darauf. Die Welternährungsorganisation FAO lässt seine höchsten Experten aus dem Beratergremium Committee on World Food Security (CFS) das Konzept auf 163 Seiten beleuchten (HLPE-Report, 2019). Allein die Kurzfassung benötigt elf Stichpunkte für eine Definition. Agrarökologie, steht darin, meint eine Präferenz für „natürliche Prozesse, sie begrenzt die Nutzung externer Inputs, unterstützt geschlossene Kreisläufe mit minimalen negativen externen Effekten, betont die Bedeutung lokalen Wissens und partizipativer Prozesse” und soll auch soziale Ungleichheit verringern und den Wissenschaften zur Geltung verhelfen.

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Frau Neubert, was ist ein Trilemma? Und was lässt sich dagegen tun?

Um das Trilemma der Landnutzung zu entschärfen, müssen die Klimakrise, die Vernichtung von Biodiversität und die Ernährungskrise gleichzeitig adressiert werden. Susanne Neubert, erklärt im Interview wie derlei Strategien aussehen könnten.

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Agrarökologie auf UN-Ebene: Die Initiative „Scaling up Agroecology“ der FAO

Zunehmende wissenschaftliche Evidenz und lokale Erfahrungen zeigen, dass die Agrarökologie das Potenzial besitzt, eine ganzheitliche Lösung für die zahlreichen wechselseitigen Herausforderungen zu liefern, die Ernährungssysteme derzeit beschäftigen.

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Der Garten der Agrarökologie: Beispiele aus der Praxis

Die Herausforderungen des Bevölkerungswachstums, die abnehmende biologische Vielfalt sowie der Klimawandel erfordern ein Umdenken in unseren Ernährungssystemen und Lösungsansätze im Sinne eines agrarökologischen Wandels.

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Warum die Transformation unserer Ernährungssysteme unerlässlich ist

Derzeitige Krisen verdeutlichen die Notwendigkeit der Transformation von Ernährungssystemen. Dr. Sinclair, Leiter des Welternährungssicherungs- ausschusses, stellt 13 agrarökologische Prinzipien vor, die den Wandel ermöglichen sollen.

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Siegel, Zölle und Lieferkettengesetz: Nützen oder schaden sie den Kleinbauern?

In der Diskussion um nachhaltige Lieferketten setzen europäische Staaten auf Siegel, Zölle und staatliche Regulierungen. Mit Unterstützung der SEWOH-Partner stellt Jan Grossarth diese Maßnahmen infrage.

Nachdem im April 2013 in Bangladesch das achtgeschossige Fabrikgebäude Rana Plaza einstürzte, über tausend Textilarbeiterinnen und Arbeiter unter den Trümmern starben, dominierte das Thema der Menschenrechte in Nähereien einige Tage die globalen Nachrichten. Vom Schock blieb Scham. Denn war nicht jeder irgendwie mit verantwortlich, der billige T-Shirts und Jeans kauft? Dann folgte die politische Debatte: Geschah die Katastrophe nicht in dem Bereich, in dem der Staat, also Bangladesch, die Einhaltung der Gesetze verantworten müsste? Oder können wir, andererseits, nicht auch mitbestimmen, nach welchen Regeln bei uns konsumierte Produkte produziert werden? Und zwar nicht nur durch unseren Konsum, sondern auch durch unseren Staat und unsere Unternehmen?

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Bauern in Aufruhr – ihre Bewegung bringt Einheit und Hoffnung

Seit 2014 garantiert ein Gesetz für alle Inder ausreichend gesunde Nahrung zu erschwinglichen Preisen. Nun erschüttert eine der größten Protestwellen in der Geschichte den Subkontinent. Landwirte wehren sich gegen Gesetze, die Mindestpreise abschaffen und Ernährungsprogramme in Gefahr bringen.

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Ein deutscher Exportschlager

„Einer für alle, alle für einen“ – dieser Leitspruch wurde die Handlungsbasis landwirtschaftlicher Genossenschaften, die sich im 19. Jahrhundert gegründet hatten. Aus ihnen wurde eine Erfolgsgeschichte, die sich weit ins 21. Jahrhundert hinein weiterschreiben wird.

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Meet the people: Joseph Ngaah

Joseph Ngaah ist Vorsitzender der Kakamega County Farmers Association in Kenia. Durch sein Engagement auf nationaler und lokaler Ebene, verschafft er den Bäuerinnen und Bauern Gehör - sowohl in den Medien als auch bei politschen Entscheidungsträger:innen. In der SEWOH kooperiert er mit der Andreas-Hermes-Akademie, den Grünen Innovationszentren und dem TMG - Sustainable Think Tank.

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Entwaldung und Naturzerstörung: Es braucht einen strikten EU-Gesetzesrahmen

Im Beitrag erklärt Christine Scholl, Senior Referentin beim WWF Deutschland, warum ein umfassendes EU-Gesetz zum Stopp der Entwaldung und Umwandlung wertvoller Ökosysteme zwingend erforderlich ist und was eine solche Gesetzgebung berücksichtigen muss.

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Auf Innovation und Nachhaltigkeit in der Kakaowertschöpfungskette setzen

Juliette Kouassi hat die Kakaokooperative ABOUd'CAO in Côte d’Ivoire gegründet. Ziel ist es, Produzentinnen zu fördern und "in der Kakaowertschöpfungskette nichts wegwerfen, sondern allem Wert einhauchen."

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Welthunger-Index: Der Schlüssel liegt im politischen Handeln

Der Welthunger-Index 2020 lässt befürchten, dass das Ziel „Kein Hunger bis 2030“ verfehlt wird. Miriam Wiemers, Referentin für den Welthunger-Index, beschreibt die wesentlichen Herausforderungen und wie der Weg zu Zero Hunger beschritten werden kann.

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Land der Konflikte

Für die meisten Menschen in Uganda ist Landbesitz überlebenswichtig. In Zentraluganda ist eine alte Bodenordnung für Grundeigentümer*innen und Pächter*innen zum Zündstoff eines Konflikts geworden, der seit Jahrzehnten schwelt. Ein innovativer Ansatz für Konfliktbewältigung soll dies ändern.

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Masterplan für eine sichere Ernährung

Um bis 2030 den Hunger weltweit zu beenden, braucht es eine effektive Steuerung. Dieser Masterplan basiert auf den Erfahrungen des Globalvorhaben Ernährungssicherung und Resilienzstärkung der GIZ. Dieses setzt in zehn Ländern weltweit Maßnahmen zur Stärkung der Nutrition Governance um.

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Wie wir das Recht auf Nahrung verwirklichen können

Stefan Schmitz leitet den Crop Trust und war bis 2019 SEWOH Beauftragter im BMZ. Wir haben ihn gefragt, welche Aspekte der SEWOH wegweisend sein könnten, um globale Ziele wie die Erreichung von SDG 2 auf nationaler und globaler Ebene voranzutreiben.

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Lieferketten: „Die Grundidee der EU ist es, zu unterstützen, statt zu strafen“

Neben der Bundesregierung treiben auch EU-Institutionen die Einführung eines Lieferkettengesetzes voran. Was wären die Auswirkungen? Fragen an Bettina Rudloff von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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Bei Dir beginnt das Wir: 3 Thesen zur Endverbraucherkommunikation

Die Generation Z (1995-2010) zwingt die Hersteller von Konsumgütern zum Umdenken. Dieser so genannte „Greta-Effekt“, der ohne die sozialen Medien nicht möglich wäre, zwingt nicht nur Unternehmen sich zu bewegen; sondern bietet auch viel Potenzial für die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit.

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Weg vom Gießkannenprinzip, hin zur Wirksamkeit

Um die Weltbevölkerung auch 2050 ernähren zu können, ist laut Jan Grossarth "die hohe Kunst der Governance" gefragt. Was diese Kunst beinhaltet und auf welche Herausforderungen sie stößt, hat er mit Unterstützung der SEWOH-Partner beleuchtet

Überall ein bisschen Fortschritt, in vielen Tausend lokalen Projekten – aber was ist, wenn das angesichts der globalen Herausforderung nicht genügen wird? Afrikas Bevölkerung verdoppelt sich laut den UN-Prognosen bis 2050 auf mehr als zwei Milliarden Menschen. Dabei importiert der Kontinent schon heute mehr Lebensmittel, als er exportiert, versorgt sich also nicht selbst mit Nahrung. Klimaprognosen sagen für einige afrikanische (und asiatische) Regionen vorher, dass die Durchschnittstemperaturen dort um 3 Grad oder mehr steigen werden. Die Wüsten breiten sich aus. Diese Aussicht legt nahe, dass eine Entwicklungszusammenarbeit, die Ressourcen nach dem Gießkannenprinzip verteilt, nicht wirksam genug ist. 

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Babban Gonas holistischer Finanzierungsansatz

Was sind innovative Finanzierungsmechanismen und wie trägt Finanzierung dazu bei, Innovation zu skalieren? Kola Masha, Managing Director von Babban Gona, beschreibt im Interview sein spezielles – und erfolgreiches – Geschäftsmodell, das er in Nigeria mit finanzieller Hilfe und Unterstützung der deutschen KfW aufgebaut hat.

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Klima Krisen

Bevölkerungswachstum, fehlende Rechtsstaatlichkeit und schwindende Ressourcen, beschleunigt durch den Klimawandel, führen zu Konflikten, die in der gesamten Sahelzone jährlich Tausende von Toten fordert. "Viele werden ihre Heimat verlassen oder durch Hunger, Krankheiten und Kriege zugrunde gehen. Nur eine zügige sozioökonomische Entwicklung durch massive Investitionen [...] könnte dieses Desaster verhindern."

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Warum braucht erfolgreiche Transformation eine starke Governance?

Die Sonderinitiative Eine Welt ohne Hunger (SEWOH) ist der Versuch einer Gebernation, die Erreichung von Nachhaltigkeitsziel 2 (SDG 2) entscheidend voranzubringen. Beobachtungen und Schlussfolgerungen aus dem begleitenden Diskurs zur SEWOH.

António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN), hat im Sommer 2019 wegen der steigenden Zahl von hungernden Menschen Alarm geschlagen. Ein „World Food Systems Summit“ (UNFSS) im Herbst 2021 soll dem Thema Hungerbekämpfung und Nachhaltigkeit die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen und neue Impulse für einen Wandel des gesamten Ernährungssystems setzen. Bereits 2014 hat Gerd Müller als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit der SEWOH einen bemerkenswerten Versuch unternommen. Die Idee: Mit einem sektoral ausgerichteten, von zunächst einer Gebernation getriebenen Ansatz das Nachhaltigkeitsziel 2 (SDG 2) entscheidend voranbringen. Dazu ist Deutschland mit einem Investment von rund 1,5 Milliarden Euro zum weltweit zweitgrößten Geber in den Bereichen Ernährungssicherung, ländliche Entwicklung und Landwirtschaft aufgestiegen. Die Initiative hat neue Wege erkundet, aber auch ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Und – entscheidend verschärft durch die Covid-19-Pandemie – sehr deutlich die Verletzbarkeit der globalen Ernährungssicherheit aufgezeigt. 

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