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Stefan Liebing ist Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Der Manager fordert eine bessere Struktur von afrikanischen Agrarbetrieben. Ein Gespräch mit Jan Rübel über Kleinbauern, die Chancen für deutsche Start-Ups und einen neuen Fonds.
Herr Liebing, manchmal heißt es aus der deutschen Wirtschaft: Kleinere Betriebe, die sich in Afrika engagieren wollen, haben dazu kaum eine Chance. Stimmt das?
Dr. Stefan Liebing: Das stimmt teilweise. Noch haben wir zu wenige Finanzierungsmöglichkeiten für geringe Volumen. Banken haben einen hohen Aufwand, solche Vorhaben zu prüfen. Erst ab einer gewissen Investitionshöhe haben sie dann die Möglichkeit, ihre Kosten wieder reinzuholen. Das trifft kleine Unternehmen und macht es deshalb schwieriger, kleinere Engagements in Afrika zu finanzieren.
Ließe sich dieser Aufwand reduzieren?
Nein, das glaube ich nicht. Wo entwicklungspolitisch sinnvolle Investitionen zur Debatte stehen, könnten die Transaktionskosten bezuschusst werden. Wenn also eine Bank über die Zinsen für den Kredit für ein Projekt in Afrika ihre vorherigen Prüfungskosten nicht wettmacht, könnte eine Finanzspritze abhelfen.
Wo sehen Sie konkrete Möglichkeiten, aus dem deutschen Landwirtschaftsmarkt heraus in Afrika aktiv zu werden?
Der Landwirtschaftssektor ist einer der schwierigsten für deutsche Unternehmen. Das liegt daran, dass wir im deutschen Mittelstand nur wenige Unternehmen in der Landwirtschaft oder der Lebensmittelverarbeitung haben, die im Ausland Fabriken oder Farmen aufbauen. Da gibt es als Investoren nur einige wenige. Es gibt eben kaum einen deutschen Bauern, der auf die Idee käme, zu expandieren, indem er einen weiteren Hof zum Beispiel in Malawi kauft. Und es existieren eben kaum große deutsche Lebensmittelkonzerne, wie sie unsere Nachbarländer haben. Daher sehe ich nur wenige Investoren auf dem Gebiet.
Und was ist mit anderen Branchen?
Da sieht es besser aus. Für IT-Startups sehe ich große Chancen, um der Landwirtschaft in Afrika zu helfen. Da geht es um Optimierung von Landwirtschaftsprozessen oder die Unterstützung von Markttransparenz oder Logistik. Dort und bei Energieversorgung oder Infrastruktur sind deutsche Unternehmen gut aufgestellt. 40 Prozent der Lebensmittel in Afrika verderben, weil sie nicht richtig gelagert werden. Diesem Problem der Nachernteverluste könnten sich deutsche Unternehmen aus dem Logistikbereich annehmen. Und dann haben wir spannende Firmen, die eher Produkte verkaufen, welche Landwirtschaft voranbringen, aber da braucht es Investoren vor Ort: Seien es Maschinen für die Verarbeitung von Lebensmitteln oder Verpackung, seien es Düngemittel oder Saatgut, Landmaschinen oder Traktoren – da gibt es Mittelständler, die für die afrikanische Landwirtschaft interessant wären.
Warum nur wären?
Nötig ist eben eine gute Struktur von Landwirtschaftsbetrieben, die sich sowas auch leisten können.
AGRA will diese Strukturen mit aufbauen. Wie beurteilen Sie als Unternehmer dieses Engagement?
Das halte ich für wichtig, denn in der Landwirtschaft brauchen wir Eigeninitiativen der Afrikaner. Immer wieder wird klar: Afrikaner legen zu Recht viel Wert darauf, dass sie Projekte und Strategien definieren – und wir dann dazu beitragen. Wenn wir gemeinsam eine Verarbeitungsanlage oder einen Traktor finanzieren, hat das enormes Potenzial für beide Seiten. Ein moderner Agrarsektor ist die effizienteste Methode Armut zu bekämpfen und Ernährung zu sichern – und es ist zudem auch noch eine profitable Geschäftsmöglichkeit. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Afrikanische Entwicklungsbank bis 2025 rund 24 Milliarden US-Dollar in Landwirtschaft und Agribusiness stecken will.
Kritiker sagen: AGRA sei gar nicht so afrikanisch, weil das Geld von amerikanischen Stiftungen kommt.
Nun gut, die Frage bleibt: Wollen wir philosophisch diskutieren oder etwas pragmatisch voranbringen? Die afrikanischen Landwirtschaften leiden darunter, dass es zu wenige ausländische Investoren gibt, die dort ihr Kapital hineingeben können. Die Afrikaner müssen diesen Sprung weitgehend aus eigener Kraft schaffen. Das geht am schnellsten dann, wenn Entwicklungsgelder oder Stiftungsgelder helfen. Entscheidend ist doch, dass Afrikaner entscheiden. Und bei AGRA sind die Entscheider mehrheitlich Afrikaner.
Sehen Sie die Gefahr, dass Kleinbauern bei diesem unternehmerischen Ansatz an den Rand gedrängt werden können?
Also, bei uns in Deutschland gibt es keinen, der Landgrabbing in Afrika auch nur theoretisch betreiben könnte. Wir haben, wie gesagt, keine derartigen Unternehmen. Und gerade deutsche Mittelständler achten darauf, dass sie entsprechend vernünftigen, sozialen und Umwelt-Standards handeln. Ich glaube, wir brauchen große, professionell arbeitende Betriebe. Ich bezweifle, dass das Konzept des alleinigen Förderns von Kleinbauern das Instrument der Wahl ist. Wir haben eine solch enorme Herausforderung: Die Bevölkerung Afrikas wird sich bis 2050 verdoppeln, der Bedarf an Nahrungsmitteln wird in diesem Zeitraum um 70 Prozent steigen – und 20 Millionen Jobs pro Jahr müssen in Afrika neu geschaffen werden. Das ist mehr, als in der gesamten Europäischen Union geschaffen werden. Das kriegen wir nur hin, wenn alles unternommen wird, was parallel möglich ist. Schauen Sie auf die Bevölkerungsprognosen – wir werden wahrscheinlich nicht einmal dann Erfolg haben, wenn die G20-Länder alles zusammenlegen, was sie haben. Also sollte alles unternommen werden. Kleinbauern sollen mit Entwicklungsgeldern gefördert werden und größere Einheiten müssen entstehen, die sich Innovationen leisten können. Ich weiß zum Beispiel, dass Airbus im Bereich der Wettervorhersagen viel unterwegs ist. Soll das Afrikanern vorenthalten werden, weil sie in ganz kleinen Einheiten weiterarbeiten sollen?
Schließlich wären das Empfehlungen, an die sich unsere eigene Landwirtschaft nicht hält: der Trend zu größeren Einheiten, der Einsatz von Dünger und Hybridsaatgut …
Ich meine, in Afrika sollte all das auch vollzogen werden. Angesichts einer stark wachsenden Bevölkerung immer mehr produziert werden. Für mich ist das primäre Ziel, dass möglichst wenige Menschen in Afrika an Hunger leiden. Wenn dies den Einsatz von chemischen Produkten erfordert, muss eben gewährleistet werden, dass die Leute dafür ausgebildet sind und es der Umwelt keine Schäden zufügt. Man kann schlecht Leuten sagen, dass sie nun nichts zu essen bekommen, weil wir aus ökologischen Gründen ungern ertragreicheres Saatgut verwenden.
Durch die Medien wandert ein Fonds, den die Bundesregierung für Afrika auflegen will. Was hat es damit auf sich?
Kanzlerin Angela Merkel hat vor einigen Wochen im Rahmen des G20-Afrika-Gipfels des Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft angekündigt, dass es einen Entwicklungs- und Investitionsfonds geben soll, der insgesamt mit einer Milliarde Euro ausgestattet ist. Die Idee ist: Investitionsvorhaben von deutschen Mittelständlern, die entwicklungspolitisch sinnvoll sind, die Jobs schaffen, sollen gefördert werden – wenn sie allein noch nicht funktionieren, weil eine Bank zu vorsichtig ist oder ein Mittelständler fürchtet alles zu verlieren, wenn er enteignet wird oder wenn es politische Schwierigkeiten gibt.
Ist das eine Art Hermes-Bürgschaft unter anderem Label?
Nein, es wird mehrere, verschiedene Komponenten haben. Aber darüber wird noch diskutiert. Da sind Garantien dabei, aber auch kleinere Kredite. Die Milliarde ist bis zum Ende der Legislaturperiode vorgesehen.
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